2/13/2015

Tussock Traverse - Trailrace zwischen den Vulkanen

Zieleinlauf mit Ngauruhoe (aka "Mount Doom" aus
"Lord of the Rings") im Hintergrund

Noch im Dachzelt zogen wir die Laufkleidung an, kletterten die Leiter hinunter und schichteten eiligst Daunenjacke, lange Hosen und Mützen darüber, denn nach einer sternenklaren Nacht war die Temperatur hier auf 1'100 m nur knapp über dem Gefrierpunkt. Frühmorgens um 6 war aber schon einiges los im Whakapapa Holiday Park Camping. Nebst den obligaten Wanderern, welche heute das Tongariro Crossing unter die Füsse nehmen würden, sah man auch aussergewöhnlich viele Menschen in Laufkleidung beim Frühstück in der grosszügigen Küche.

Dieselben Läufer waren kurz  vor 8 Uhr beim Parkplatz des "Chateau Tongariro" Hotels anzutreffen, wo sie in Busse verladen wurden. Manuel und ich genossen die eineinhalbstündige Fahrt um den Tongariro Nationalpark herum, denn sie bot uns hervorragende Ausblicke auf die drei Vulkane (Ruapehu 2797 m, Ngauruhoe (aka Mount Doom) 2291 m, Tongariro 1978 m) im Morgenlicht. Hier und dort waren sogar Dampfschwaden zu sehen, sogenannte Fumarole, die aus den Flanken des Tongariro aufstiegen. Den letzten Streckenteil auf der Ostseite des Ruapehu-Kraters legten die Busse dann aber über eine holprige Schotterpiste zurück. Dies liess uns schnell einmal das Ende der Fahrt herbeisehnen, bestand doch das dringliche Bedürftnis nach einem "Toitoi"-Klo. Offensichtlich waren wir nicht die einzigen, denn kaum stoppte der Bus, stürzten sich alle hinaus auf die kurze Reihe von Klohäuschen - gut sassen wir im vordersten Bus...

Unser Stellplatz im Whakapapa Holiday Park
(vorne in der Kiste mein neues SUP :))

Nun hatten wir noch eine gute halbe Stunde Zeit bis zum Start. Viel gab es nicht zu sehen, ein paar Pickups standen bereit für den Materialtransport zum Ziel, die obenerwähnten Klohäuschen zogen Schwärme von Fliegen an, und weit und breit viel, viel Vulkangestein. Vor uns schlängelte sich die 4x4-Strasse, welche wir in kürze in Angriff nehmen würden, steil die Flanke des Mount Ruapehu hinauf. 

Wie immer kurz vor Rennstart zweifelte ich etwas an meinem Geisteszustand im Moment der Anmeldung... Für mich würde es der erste richtige Trailwettkampf werden, und die auf 26 Kilometer verteilten gegen 700 positiven Höhenmeter schienen mir im Moment recht unüberwindlich. Für Manuel sollte es der letzte Test vor dem Tarawera Ultramarathon werden, und er plante bereits am Tag nach dem Wettkampf noch den kompletten Tongariro Northern Circuit (4-Tages-Wanderung, 42km) anzuhängen, um so nochmals zu einem langen Trainingslauf zu kommen.

Nach kurzem Briefing (es wird heiss, trinken, trinken, trinken!) stellten sich die Läufer in langer Schlange vor der Startlinie auf, Manuel reihte sich vorne ein, ich vorsichtigerweise im hinteren Drittel. Wir (oder die Strecke, oder was auch immer) wurden auf Maori gesegnet, und bereits begann der Speaker die Sekunden bis zum Start hinunterzuzählen. Den Startschuss hätte das Maori-Muschelhorn geben sollen, doch dieses ging wohl im Lärm etwas unter. Dies Spitze setzte sich trotzdem in Bewegung und rannte im Wahnsinnstempo die steile Strasse hinauf. Ich konnte Manuel knapp hinter der Spitzengruppe ausmachen. 

In meiner Umgebung ging man das Rennen etwas gemütlicher an, viele gingen gleich von Anfang weg, denn über die ersten knapp zwei Kilometer galt es über 200 m Steigung zu bewältigen. Das Einlaufen hatte ich mir zurecht gespart, denn schon bald tropfte der Schweiss trotz Schnecken-Pace! Ich versuchte langsam zu joggen und nur in den steilsten Passagen zu gehen, und war noch nicht halb oben, als die Spitzengruppe jenseits der Hügelkuppe bereits den ersten Downhill in Angriff nahm. Manuel hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die ersten der Schnellstarter eingesammelt und sich etwa an siebter Stelle positioniert.

Mount Ruapehu auf der linken Seite der Strecke.

Ich lief dann am Ende der Steigung leider bereits in den ersten Stau, denn der direkt folgende  Abstieg führte als technischer Singletrail eine steile Geröllhalde hinunter. Einige Läufer waren offenbar nicht mit Trailschuhen ausgerüstet und rutschten hilflos herum. Ich entschied mich also für Plan B: neben dem Weg ab durch das Geröll... Im Weiteren führte uns die Strecke durch die spektakuläre karge Vulkanlandschaft, durch Sandfelder, Geröllhalden und trockene Bachbetten in stetem auf und ab der Ruapehu-Flanke entlang. Es gab keine Verpflegungsposten, sämtliches Wasser musste mitgetragen werden. Ich hatte zwei Liter in einer Camelbak Trinkblase dabei, welche ich schon bald schluckweise zu trinken begann, denn die Sonne brannte bereits kurz nach 10 Uhr erbarmungslos auf die unbeschattete Strecke.

Auf dem Northern Circuit wird der Weg besser. Rechts
der Mount Ngauruhoe.

Nach etwa 12 Kilometer mündete der "around the mountain trail", welchem wir bisher um den Mount Ruapehu herum gefolgt waren, in den mehr begangenen "Tongariro Northern Circuit". Dieser ist einer der sogenannten "Great Walks", ausgewählte Mehrtageswanderungen, welche sehr viele Wanderer anziehen. Dies hatte zur Folge, dass der Weg deutlich besser (bzw. überhaupt erkennbar) wurde. Dafür stieg er jetzt für die nächsten zehn Kilometer wieder stetig an, galt es doch die Hügelkette zwischen den Vulkanen Ngauruhoe und Ruapehu zu überwinden. 

Inzwischen hatte ich das Gefühl, innerlich und äusserlich kommplet mit Vulkanstaub bedeckt zu sein, jeder Atemzug fühlte sich staubig und trocken an... Ich hatte mich im Läuferfeld einsortiert, so dass immer etwa die gleichen Läufer in meiner Nähe waren und versuchte nur dann zu gehen, wenn es wirklich steil wurde, sonst nach Möglichkeit zu rennen. Die ersten Walker, welche eine Stunde vor uns gestartet waren, hatten wir längst eingeholt, doch jeder, Läufer wie Walker, machte anstandslos Platz, wenn ein schnellerer Läufer überholen wollte. Jeder kämpfte nur gegen sich, ansonsten war es ein Miteinander. Sass jemand am Streckenrand, wurde gefragt ob alles ok sei, oder ob Hilfe benötigt werde - eine sehr schöne Stimmung, für einen Wettkampf!

Durch diese Hügel führte uns die Strecke -
fotografiert vom Mount Ruapehu.

Weiter vorne war der Lauf natürlich etwas einsamer. Manuel hatte im technischen ersten Abstieg wieder zwei Plätze eingebüsst, konnte dann aber im weiteren Rennverlauf seine Pace konstant hoch halten und nach und nach Läufer einsammeln. Im letzten grösseren Anstieg bei Kilometer 22 konnte er bereits den drittplatzierten US-Amerikaner Jonathan Toker in der Ferne vor sich erkennen. Nun ging es bergab in Richtung Chateau Tongariro, und endlich gab ein kleiner Wald auch etwas Schatten, hatte aber auch zur Folge, dass der Drittplatzierte wieder aus Manuels Blickfeld verschwand. Einen Kilometer vor dem Ziel führte der Trail aus dem Wald hinaus auf eine unbeschattete Ebene, und Manuel stellte überrascht fest, wie nahe er dem Amerikaner gekommen war. Einen letzten Anstieg gab es mit müden, leeren Beinen noch zu bewältigen. Die Strecke war dann aber zu kurz, und Toker rettete noch 26 Sekunden seines Vorsprungs ins Ziel. So war es erneut ein vierter Platz, in starken 2:11:26 - Tarawera Hauptprobe geglückt!


Letzte Passagen im Anstieg, und immer wieder Treppen!

Ich war zu diesem Zeitpunkt noch weit vom Ziel entfernt, so dass Manuel sich nach einem gemütlichen Schwatz mit dem Kalifornier Toker, welchen er schon vom Aletschhalbmarathon her kannte, noch eine ausgiebige Dusche gönnen konnte, bevor er sich mit Fotokamera am Zieleinlauf postierte. 

Meine Sorge war zu diesem Zeitpunkt, ob wohl das Wasser ausreichen würde, um den Wasserstand zu checken hätte ich stoppen und den Trinkrucksack öffnen müssen. Nach zweieinhalb Stunden führte der Trail endlich einmal an einem nicht ausgetrockneten Bachbett vorbei, und ich füllte dankbar meinen Cap mit Wasser und stülpte ihn über. Schon wenige hundert Meter später im nächsten Anstieg war ich wieder trocken, und wünschte mir sehnlichst, dass ich mich komplett in den Bach gelegt hätte... 

Wann immer ich mich zum Laufschritt bewegen konnte, überholte ich aber Läufer, denn inzwischen gingen fast alle, egal ob geradeaus oder bergauf. Dies diente mir als zusätzliche Motivation auf den ewig lang scheinenden Treppenabschnitten, und irgendwann war ich dann endlich oben. Die restlichen vier Kilometer lief ich quasi alleine, überholte noch den einen oder anderen von Krämpfen geplagten oder ausgepowerten Läufer, wurde von einer Läuferin im Wahnsinnstempo überholt, doch das Feld hatte sich nun stark in die Länge gezogen. Die Waldpassage war herrlich, und ich konnte sogar noch den wunderschönen Wasserfall neben der Strecke bewundern. Die Beine waren unproblematisch, auch steile Treppenpassagen riefen keine Krampfansätze hervor. Hier zahlten sich wohl die vielen Berge aus, welche wir in den letzten Wochen erwandert haben.

Done!




In 3:46:53 schaffte ich es über die Ziellinie, happy und ohne grössere Probleme, und sogar noch mit einem übrig gebliebenen Schluck Wasser im Rucksack. Auf die Zielverpflegung - Wurst vom Grill - verzichtete ich dann aber, diese wäre in diesem Moment doch etwas viel verlangt gewesen von meinem Magen.


Die Facts:
Kategorie 26km Läufer: 
250 Finisher
Manuel: 4. von 140 Läufern in 2h11
Muriel: 57. von 110 Läuferinnen in 3h46
Zeiten im Feld variieren zwischen 1h57 und 6h25
Sieger: Andrius Ramonas aus Littauen, in neuem Streckenrekord

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