8/02/2015

Pacen beim Western States 100 Mile Run


Nein, ich bin nicht 100 Meilen gelaufen... Ende Juni fand der Western States Endurance Run statt, mit Startort Squaw Valley, unweit unseres damaligen Campgrounds in Squaw Valley. Dieser Wettkampf hat für Ultraläufer aus aller Welt eine ganz besondere Anziehungskraft. Nicht nur ist es das älteste Trailrace über 100 Meilen, sondern neben dem "Ultra Trail du Mont Blanc" auch das wohl prestigeträchtigste Langstreckenrennen der Welt. Entsprechend viele Topläufer nehmen jeweils an dieser Veranstaltung teil. Um es etwas zu veranschaulichen: Der Western States 100 hat für einen Ultraläufer etwa einen Stellenwert wie Wimbeldon für einen Tennisspieler. 

Der Western States war ursprünglich ein Pferderennen (dieses gibt es noch heute). Da sein Pferd erkrankt war, entschied sich im Jahr 1974 ein Teilnehmer dafür, zu Fuss zu starten. Ganz knapp gelang es ihm, unter dem vorgegebenen Zeitlimit von 24 Stunden zu finishen. Dieser Verrückte ist der Begründer des heutigen Footraces, und er war auch dieses Jahr, mit sage und schreibe 68 Jahren, wieder am Start... Mehr Details zur Geschichte und Gegenwart dieses Rennen können unter den folgenden Links nachgelesen werden:
Movie 2 (Western Time)
 
Bei Ultraläufen in der USA ist es den Teilnehmern erlaubt, sich während der letzten rund 40 Meilen durch einen Pacer begleiten zu lassen. Ein Pacer dient als Motivator, hat ein Auge auf die Pace sowie bei Bedarf auf den Gesundheitszustand des Läufers (trinkt er genug, etc.), darf aber keinerlei physische Hilfestellung leisten (z.B. Verpflegung tragen o.Ä.). Ich hatte das Vergnügen, einer der grössten Namen der Ultratrailszene während der letzen 35 km des Rennens zu pacen. Grinius Gediminas (Facebook / Homepage) aus Litauen konnte 2014 und 2015 grosse Erfolge feiern und war 2014 die Nummer 3 der Ultra Trail World Tour (analog ATP-Ranking im Tennis). In diesem Jahr hat er mit dem Trans Gran Canaria (120 km mit 8'500 Höhenmetern) einen der grössten Anlässe dieser Tour mit Streckenreckord gewonnen.
 
Doch wie ist es überhaupt zu meinem Pacereinsatz für einen Läufer, welchen ich bis vor dem Event nur aus den Medien kannte, gekommen? Eigentlich war es ganz einfach, Western States bietet eine Pacer-Suchbörse für seine Teilnehmer an. Da unsere Reise uns in etwa zur richtigen Zeit in die richtige Gegend führen würde, hatte ich habe mich vor langer Zeit einmal auf diese Liste setzen lassen (und es schon beinahe wieder vergessen). Doch in der Woche vor dem Event erhielt ich dann plötzlich die Mailanfrage, ob ich mir vorstellen könnte Gediminas zu pacen. Natürlich war von meiner Seite das Interesse sehr gross, allerdings hatte ich auch etwas Bedenken, denn ich wusste nicht ob die Pace eines Weltklasse-Athleten über eine doch recht lange Distanz halten kann.
 
Nachdem wir per Mail die grundsätzlichen Fragen geklärt hatten und ich auch die vorgesehene Zeittabellen erhalten hatte, trafen wir uns zu einem Trainingslauf am Mittwoch vor dem grossen Wettkampf. Anschliessend wir mit Gediminas und seiner Frau Gintare in Squaw Valley etwas trinken so konnten wir diverse Fragen klären und sonst noch ein bisschen plaudern.
 
Nächster Treffpunkt die Registrierung sowie Racebriefing am Freitag, hier wurde informiert zu Streckenmarkierung, Wetter, Trailzustand usw. Es war spannend, all die Gesichter aus den Magazinen und Trailfilmen einmal live zu sehen. Später im Tag fuhren wir dann zum Zielort, wo ich bei nahezu 40°C noch die letzten gut 10km nach Zeittabelle probegelaufen bin. Natürlich habe ich mich dabei noch verlaufen, so dass ich schlussendlich gut 14 km unterwegs war...
 
Vorbereitung zum pacen
 
Am Renntag studierten wir nach dem Frühstück fleissig den Live-Tracker. Die Athleten waren bereits seit 5 Uhr früh unterwegs und wir konnten mit Freuden feststellen, dass Gediminas sehr gut im Rennen lag. Er lag immer in etwa auf Rang 8, ohne dabei allzu viel Zeit auf die Spitze zu verlieren. Das Rennen war generell sehr, sehr schnell, die ersten 5 Läufer waren deutlich unter Streckenreckord unterwegs. Als ich das Rennen so verfolgte stieg meine Nervosität schon etwas an! Wir hatten vereinbart, dass wir bei beim 60-Meilen-Verpflegungsposten zur Crew dazustossen würden. Die Crew bestand aus Gintare und Dalius, einem in Reno lebenden Litauer. Die beiden waren bereits seit 3 Uhr früh auf den Beinen und seither unterwegs von Posten zu Posten. Ich sollte Gediminas vom Rucky-Chucky Rivercrossing bis ins Ziel begleiten, was etwas mehr als 35 km sind.
 
Als wir beim Treffpunkt in Foresthill eintrafen, war dort einiges los. Die Strassen in dieser kleinen Ortschaft waren von Leuten gesäumt, welche sich mit Kühltaschen und Campingstühlen wohnlich eingerichtet hatten. Bis zur geplanten Ankunft von Gediminas hatten wir noch 40 Minuten Zeit und so gesellten wir uns zur Crew und genossen die Stimmung. Schon bald passierte der Erstplatzierte Läufer den Ort, es handelte sich um den Amerikaner Rob Krar, welcher im Vorfeld des Rennens als Topfaforit gehandelt wurde.
 
Rob Krar, Leader in Foresthill
 
Spannend zu sehen war wie versuchte, seine Körpertemperatur mit Eis tief zu halten. Die Armlinge waren mit Eis gefüllt, der Hut war mit Eis gefüllt und um den Hals hatte er ein Tuch geschlungen, welches ebenfalls mit Eis gefüllt war. Das Klassement hatte sich seit unserer Abfahrt am Camping anscheinend stark verändert und die Läufer lagen nun einiges weiter auseinander. Die noch vor kurzem führenden Franzosen lagen nun bereits mit 15 Minuten Rückstand auf den Plätzen 4 und 5 und sahen nicht mehr allzugut aus.
 
Francois d'Haene in Foresthill
 
Je näher das Eintreffen von Gediminas rückte, desto nervöser wurde die ohnehin schon hypernervöse Crew. Mit nur gut 20 Minuten Rückstand tauchte er dann auf und die Crew versorgte ihn mit dem vorbereitetem Food, Getränken und Eis (blitzschnell, wie beim Formel 1 Boxenstop!), bevor er sich mit dem ersten Pacer auf die nächsten 20 km aufmachte.
 
Gediminas Grinius in Begleitung der Crew
 
Wir packten in aller Eile alles zusammen und fuhren zum Zielort Auburn, um dort unser Büssli zu parken. Gemeinsam fuhren wir nochmals 40 Minuten, bevor wir sämtliches Material dann noch 2 km zu Fuss zum Verpflegungsposten schleppten. Da die Zeit etwas knapp wurde, verabschiedete ich mich von Muriel und der Crew und joggte zum Rivercrossing, welches nochmals 3km vom Verpflegungsposten entfernt lag. Auf dem Weg zum Fluss kam mir bereits Rob Krar entgegen, welcher aller Voraussicht nach auf Weg zum Sieg war.
 
Rob Krar nach dem Rivercrossing
 
Am Fluss angekommen setzte ich mich in den Schatten und versuchte mich noch etwas zu entspannen.
 
Crew in Action
 
Gediminas tauchte schon bald auf, nun bereits an sechster Stelle liegend. Auf den Leader hatte er zwar Zeit verloren, doch die Läufer auf den Plätzen 3-5 waren nicht allzu weit vor ihm durch den Fluss gewatet, und hatten teilweise nicht mehr allzu gut ausgesehen. Nun ging es los auf den (für mich) ersten Anstieg, 200Hm an der prallen Sonne bei über 35°C am Schatten. Schon bald konnten wir an Francois d'Haene vorbeiziehen, dem es nicht mehr allzu gut ging (Francois d'Haene war in den letzten Jahren der Dominator bei den grossen 100-Meilern, er hatte unangefochten die grössten Rennen gewonnen und somit auch die Gesamtwertung der Ultra Trail World Tour).
Nach knapp 20 Minuten erreichten wir den Verpflegungsposten die Crew wartete. Wie schon bei der letzten Verpflegung ging es ruckzuck und wir gingen wieder auf den Kurs. Muriel informierte mich noch über die Abstände zu den vor uns liegenden Läufern, damit ich diese Infos dann weitergeben konnte.
 
 
Meine Aufgabe als Pacer war vor allem (wie es der Name schon sagt) auf die Pace zu achten, darauf, dass Gediminas nicht zu langsam oder viel zu schnell wurde. Ausserdem galt es, ihn mit Info zur Distanz zum nächsten Verpflegungsposten und dazu, wie der Kurs in etwa aussieht zu versorgen, ihn zu motivieren und auf den Kurs zu achten, um zu vermeiden, dass wir irgendwo falsch abbiegen würden. Natürlich informierte ich mich auch wo immer es ging über die Rückstände auf die Läufer vor uns. Als Pacer ist es nicht erlaubt Ausrüstung oder Verpflegung des Läufers zu tragen oder ihm über Hindernisse zu helfen.
 
Nach weiteren 8 Kilometern erreichten wir die nächste Verpflegungssstelle. Ich merkte auf diesem Abschnitt, das Gediminas zu kämpfen hatte und Mühe bekundete, das Tempo zu halten. Der Rückstand auf Platz 3 und 4 war nur 7 bzw. 12 Minuten, doch er glaubte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unbedingt daran, dass er noch weitere Plätze würde gutmachen können. Doch plötzlich konnten wir vor uns den viertplatzierten Läufer sehen, kurz darauf überhohlen und distanzieren. Dieser Motivationsschub tat Gediminas richtig gut, er konnte auf den nächsten Kilometern noch einmal zusetzen und lag beim nächsten Verpflegungsposten nur noch knapp 5 Minuten hinter dem Drittplatzierten Jared Hazen. Bis ins Ziel waren es noch 10 Meilen und bei der nächsten Verpflegung wartete ein letztes Mal die Crew auf welche uns darüber aufklärte, dass Hazen den Verpflegungsposten knapp vor unserem Eintreffen verlassen hatte.
 
Stimmung!
 
Schon bald waren Hazen und sein Pacer in Sichtweite. Jetzt wurde das Rennen richtig intensiv, denn dieser lies sich nicht so einfach überholen. Man muss bedenken, dass die Läufer zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 150 Kilometer in den Beinen hat! Unglaublich, jetzt noch solche Reserven freizusetzen. Es gelang Gediminas, auf den jungen Hazen aufzuschliessen und im Abstieg zur letzten Verpflegungsstelle, rund fünf Kilometer vor dem Ziel, konnten wir ihn überholen. Er liess sich aber leider nicht abhängen und blieb uns mit seinem Pacer dicht auf den Fersen.
 
Auf einem Flachstück nach der letzten Verpflegung setzte Hazen noch einmal zum Angriff an, er überholte uns und konnte schnell eine Lücke aufreissen, die Entscheidung um Platz drei und vier war gefallen. Gediminas hatte nach seiner Aufholjagd nicht mehr die Kraft zu kontern. Fantastisch die Leistung von Jared Hazen, er sah bereits nach Rivercrossing aus, als könnte er kaum mehr einen Fuss vor den anderen setzen,  trotzdem konnte er sich wieder und wieder motivieren an oder über die Leistungsgrenze zu gehen! Mit gerade einmal 20 Jahren lief er nun beim Western States aufs Podest.
 
Jared Hazen in Foresthill
 
Für uns galt es vor dem Ziel noch einmal einen knackigen Anstieg zu bewältigen, bevor es flach in Richtung Stadion ging. Ich spürte nun auch meine Beine, denn ich war auch schon mehr als 35 km unterwegs und hatte bei diesen hohen Temperaturen essen und trinken etwas vernachlässigt. Gediminas gelang es die letzten Kilometer in einem guten Rhytmus hinter sich zu bringen. Als wir die Strassen von Auburn erreichten, wurde es wieder belebter, die Leute machten Stimmung und hinter uns war kein zu sehen. Gemeinsam liefen wir ins Stadion ein wo ich Ihn dann alleine auf seine verdiente Triumphrunde in Richtung Zielbogen schickte.
 
 
Gediminas finishte in einer Zeit von 15:40 auf dem vierten Platz als bester Europäer hinter drei US-Amerikanern. Dies obwohl der Kurs nicht unbedingt auf seine Stärken ausgelegt war, Weltklasse! Rob Krar hatte souverän gesiegt und war dabei nur 2 Minuten unter dem Streckenrekord geblieben.
 
Für uns war es nun Zeit zu relaxen und die Stimmung zu geniessen, wir setzten uns auf die Wiese im Stadium, stärkten uns mit dem angebotenen kleinen Buffet und verfolgten den Zieleinlauf der weiteren Läufer. Gegen Mitternacht ging es dann retour auf den Camping, wo wir schon bald im Dachzelt lagen. Zu dieser Zeit waren noch die meisten Läufer auf der Strecke, viele würden noch die ganze Nacht unterwegs sein bis zum Zielschluss nach 30 Stunden am nächsten Mittag.
 

Gediminas mit Crew im Ziel

Live Ranking nach 5 Finishern
  
Speziell zu erwähnen ist hier noch die 70-jährige Gunhild Swanson zu erwähnen, welche das Rennen als erste Frau ihrer Altersklasse finishte. Zunächst sah es danach aus, als würde sie den Cut-off nicht schaffen, doch sie legte die letze Meile in einer Pace zurück, welche nur knapp unter jener der Siegerin lag. Nur Sekunden vor Ablauf der 30 Stunden schaffte sie es über die Ziellinie, angetrieben von der gesamten Läuferschar, welche sich zur Siegerehrung sammelte. Ein Stadion im Freudentaumel und Gänsehaut pur!
 
Nach der Siegerehrung verabschiedeten wir uns von Gediminas, Gintare und Dalius, welche wir hoffentlich bei anderen Rennen wiedersehen werden!

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